Aktion „Pflege fair finanzieren“ – Sozialstation geht in die …

OBERNDORF, 1. Oktober – Seit Jahren erhalten ambulante Pflegedienste immer weniger Geld für ihre Arbeit. Darunter leiden Klienten und Mitarbeiter gleichermaßen. Unter dem Schlagwort „Pflege fair finanzieren“ informiert die Sozialstation Raum Oberndorf gGmbH beim Herbstfest des HGV am 13. Oktober über diesen Missstand. Mit einer Unterschriftenaktion soll zudem bei den politisch Verantwortlichen für das Anliegen einer gerechten Finanzierung der Pflege geworben werden.

Andreas Bronner ist ratlos und verärgert, wenn er auf seine Umsätze schaut. Seit einiger Zeit schon kann der Geschäftsführer der Sozialstation Oberndorf seine Einnahmen und Ausgaben im Bereich der ambulanten Pflege nicht mehr in ein gesundes Gleichgewicht bringen. Schuld daran sind die Kranken- und Pflegekassen. Sie erstatten die stetig gestiegenen Kosten der ambulanten Dienste bereits seit Jahren nur teilweise.

In den vergangenen neun Jahren seien die Tariflöhne für Pflegekräfte um 17 Prozent gestiegen, erklärt Bronner. Allein im vergangen Jahr hätten seine Mitarbeiterinnen 3,5 Prozent mehr Gehalt bekommen. Die Kassen hätten ihre Kosten für die Leistungen im gleichen Zeitraum dagegen nur um acht Prozent erhöht. Das bedeute für ihn eine Deckungslücke von neun Prozent. Rechnet Bronner die gestiegenen Kosten für Energie und Treibstoffe und den Unterhalt der Autos hinzu, sprengt das Loch die Zehnprozentmarke.

Während freie ambulante Dienste unter Umständen an den Mitarbeitern sparen können, geht das für die Sozialstation in Oberndorf nicht. „Als Mitglied der Diakonie sind wir an die Tarife im öffentlichen Dienst gebunden“, erläutert Bronner. Er findet das richtig so. Bronner betont, dass gerade in der fairen Entlohnung seiner Mitarbeiterinnen eine Stärke der Einrichtung liege. „Wir brauchen Pflegekräfte, denen ihr Beruf Freude macht, und denen wir über das Gehalt unsere Wertschätzung ausdrücken“, sagt er. Die Gehaltssteigerung sei also durchaus gerechtfertigt. Zumal sie die Teuerungsrate allemal nicht voll auffange.

Um dennoch eine schwarze Null im Bereich des ambulanten Pflegedienstes ausweisen zu können, muss Bronner an der Pflegezeit knapsen und nach anderen Einnahmequellen suchen. „Das geht auf Dauer ganz klar zu Lasten des Patienten“, erläutert er. Zudem entstünde zwischen den betreuten Klienten ein Ungleichgewicht. Selbstzahler seien besser gestellt, zeigt Bronner auf. Sie müssten zwar etwas tiefer in die Tasche greifen, dafür bekämen Sie mehr Zeit für die Pflege.

Nicht nur die zu geringe Fallpauschale bereitet Bronner Kopfzerbrechen. Die Erstattung der Fahrtkosten deckt ebenfalls nicht seine Ausgaben. „Das ist vor allem eine Problem des ländlichen Raums“, erklärt er. Die sogenannte Wegepauschale, welche die Krankenkasse bezahlt, beträgt 3,47 Euro – unabhängig von der Strecke, die seine Mitarbeiterinnen zwischen den einzelnen Klienten bewältigen müssen.

Die Verhandlungen zwischen Kranken- und Pflegekassen auf der einen und Pflegeträgern auf der anderen Seite treten seit mehreren Jahren auf der Stelle. Die gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen erkennen die realen Lohnsteigerungen der vergangenen Jahre nicht an. Bronner hat dafür kein Verständnis. „Der Gesetzgeber will die ambulante vor der stationären Pflege fördern“, sagt er „Doch ausgerechnet die Kassenverbände vergüten am schlechtesten im ambulanten Bereich.“ Dabei gebe etwa die die AOK gerade mal ein Prozent ihres Gesamtbudgets für die Betreuung von Pflegebedürftigen im eigenen Heim aus.

„Die gesetzlichen Kassen müssen endlich akzeptieren, dass gute Pflege ihren Preis hat. Das bedeutet, dass die Tarife unserer Mitarbeitenden anerkannt, tarifliche Lohnsteigerungen durch die Kassen refinanziert werden“, postuliert Bronner. Die Politik müsse endlich die Pflegeversicherung und die Krankenversicherung reformieren. Seit Jahren gestiegene Kosten für Verwaltung- und Bürokratie seien an anderer Stelle viel sinnvoller eingesetzt. Vom lauthals propagierten Bürokratieabbau könne keine Rede sein. Versuche, das kränkelnde System der Pflegefinanzierung zu verbessern, sorgten für noch mehr Verwirrung. Bronner nennt als Beispiel das Pflegeneuorientierungsgesetz. Das habe außer zusätzlichen Kosten kaum positive Effekte erbracht.

Vor diesem Misstand dürfe die Politik nicht länger die Augen verschließen „Nur mit einer kompletten Reform der Pflege- und Krankenversicherung können wir in einer älter werdenden Gesellschaft heute und morgen gute Pflege erbringen und Mitarbeiter finden, die diesen Dienst am Menschen gerne tun“, lautet Bronners Fazit.

INFO: Die Sozialstation Raum Oberndorf gGmbH hat beim Herbstfest des HGV in Oberndorf am 13. Oktober einen eigenen Stand. Dort nehmen Sozialstationsgeschäftsführer Andreas Bronner und seine Mitarbeiterinnen von 10 bis 16 Uhr zu Fragen Stellung und sammeln Unterschriften für die Aktion der württembergischen Diakonie „Pflege fair finanzieren“

 

 

 

 

 

Veröffentlicht am   5. Oktober 2013